Aus der Perspektive des Arbeitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung eine Anforderung, die Arbeitsbedingungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich weiß, der Begriff ist gruselig – meine Wortschöpfung ist das nicht. Und man braucht schon eine ausgeprägte Vorstellungskraft, um eine Brücke von „Gefährdung…“ hin zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen zu bauen.
Genau darum geht es nämlich: Gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden Lösungen entwickelt, um gute Arbeit möglich zu machen. Im staubigen Kontext der gesetzlichen Anforderungen wird das Potenzial dieses beteiligungsorientierten Vorgehens oft überdeckt. Der Impuls, schnell die lästige Pflicht abzuhaken ist nachvollziehbar.
Aktuelle Herausforderungen in den Mittelpunkt rücken
Wenn es allerdings gelingt, sich vom Aspekt der Pflichterfüllung zu lösen, wenn vielmehr die aktuellen Herausforderungen der Organisation im Mittelpunkt stehen, dann bildet die Gefährdungsbeurteilung einen nützlichen Rahmen, um Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen systematisch herbeizuführen.
Manchmal erlebe ich auch, dass Organisationen bereits regelmäßige Reflexionsschleifen etabliert haben, innerhalb derer auch Aspekte der psychischen Belastung thematisiert und bearbeitet werden. Dann stellt sich lediglich die Frage der nachvollziehbaren Dokumentation, um die arbeitsschutzrechtliche Anforderung zu erfüllen. Es wäre kontraproduktiv, losgelöst davon noch einen Prozess für die Gefährdungsbeurteilung aufzusetzen.
Die Chance liegt aus meiner Sicht darin, die Ressourcen der Organisation sinnvoll einzusetzen und Selbstwirksamkeit zu stärken. Mir ist es wichtig, den Prozess so zu gestalten, dass die Teams aktiv sind, gestalten und Verantwortung übernehmen können. Durch die Schaffung eines Reflexionsrahmens können Führungskräfte ihre Rolle sowie ihr Führungshandeln beleuchten und weiter entwickeln. Gemeinsam erarbeiten wir, wie diese den Prozess konstruktiv unterstützen und die Umsetzung der Lösungsideen voran bringen können. Durch regelmäßige Gespräche mit der Geschäftsführung wird eine Kopplung an die Strategie der Organisation erreicht.
Wirksamkeit erzielen
In der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung werden die Arbeitsorganisation und die Zusammenarbeit sowie Arbeitszeit, Arbeitsinhalte und Arbeitsumgebung analysiert. In den Projekten, die ich begleite, kristallisieren sich häufig zwei relevante Handlungsfelder heraus: Das größte Verbesserungspotenzial liegt in Aspekten der Arbeitsorganisation und der Führung.
Erweiterte Perspektive auf Gesundheit
Gesundheit verstehe ich nicht alleine als persönliches, individuelles Thema. Vielmehr liegt mein Fokus darauf, wie Gesundheit in den Kontext der Organisation eingebettet ist. Ich richte die Suchscheinwerfer darauf, welche Auswirkungen die Strukturen und Spielregeln in der Organisation auf Gesundheit und Wertschöpfung haben.
So kann beispielsweise die Zusammenarbeit im Team oder mit der Führung als Puffer gegen Stress wirken, wenn diese als unterstützend und wertschätzend erlebt wird. Erlebte Fairness, Verlässlichkeit und nachvollziehbare Entscheidungen sind ebenfalls wichtige Ressourcen. Diese Beispiele machen deutlich, dass isolierte Einzelmaßnahmen nicht die Lösung sind, wenn Wirksamkeit erzielt werden soll.
Alles neu?
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, ob Sie mit der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung Ihre gesamte Organisation umkrempeln?
Nun, „es kommt darauf an“. Auch wenn das zunächst einer stereotyen Antwort einer Psychologin klingt. Und dennoch meine ich es genau so. Im Einzelfall ist nämlich zu bewerten, wie dringend und auf welchen Ebenen Veränderungen anzustoßen sind. Und was gerade für die Organisation möglich ist. Die aktuellen Ressourcen wie zeitliche und finanzielle Kapazitäten, mögliche Zielkonflikte oder Synergien mit anderen geplanten Projekten sind dabei kritisch zu bewerten.
Wichtig ist auch, dass für umfassende Interventionen vorab der Auftrag und die Unterstützung durch die Geschäftsführung eingeholt wird. Ansonsten reibt sich die interne Steuerungsgruppe auf, Mitarbeitende werden frustriert, wenn Versprechungen nicht eingehalten werden und am Ende entsteht der Eindruck, es sei schlimmer als vorher.
Ein Ziel der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung ist es, Arbeitsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Wenn Veränderungen auf der Ebene von Strukturen und Prozessen angestoßen, Rollen geklärt und neue Formate der Abstimmung und Entscheidungsfindung etabliert werden, ermöglicht das wieder die Fokussierung auf echte Arbeit. Mitarbeitende sehen und erleben wieder den Sinn Ihrer Arbeit. „Die beste Motivationsquelle überhaupt.“, wie Professor Theo Wehner es unlängst in einem Interview mit der ZEIT zusammenfasste.
In welchem Spannungsfeld bewegen Sie sich, wenn Sie über die GB Psych in Ihrer Organisation nachdenken?
Lassen Sie uns gern dazu sprechen. Ich unterstütze Sie, eine für Ihre Organisation passende Vorgehnsweise zu entwickeln. Pragmatisch und wirksam.