Arbeitsverdichtung als aktuelle Herausforderung. Oder: Leidet Ihre Organisation an einem Burnout?

Das Unmögliche trotz allem möglich machen

Es ist wenig überraschend, dass die allgegenwärtigen Krisen auch an Organisationen nicht spurlos vorbei gehen. Dazu kommen die Effekte einer teils enormen Arbeitsverdichtung, die wiederum durch den Fachkräftemangel weiter verstärkt werden. Im Verhalten der Mitarbeiter:innen sind Unzufriedenheit, Zynismus und Resignation zu beobachten. Gleichzeitig bemühen sich einzelne und Teams „trotz allem“ und unter enormen Anstrengungen, das Unmögliche möglich zu machen.

Diese Auswirkungen der interessierten Selbstgefährdung beobachte ich insbesondere im Kontext der sozialen Arbeit sowie in Arbeitsfeldern, die zu einer starken Identifikation mit den Arbeitsinhalten einladen. Entscheidungen, die als unfair erlebt werden, fehlende Rollenklarheit sowie fehlende Unterstützung durch Führungskräfte erhöhen das Risiko, bei der Arbeit auszubrennen.

Die benannten Herausforderungen stellen allerdings auch für die Organisation ein Risiko dar. Wenn schon auf den Fluren und in Gesprächen mit einzelnen die Ausweglosigkeit zu spüren ist, leidet möglicherweise die Organisation selbst an einem Burnout.

Organisationaler Burnout

Nach Gustav Greve spricht man von einem organisationalen Burnout, „wenn sich eine Organisation in einem erschöpften und paralysierten Zustand befindet und mit eigenen Ressourcen (…) diesen Zustand nicht mehr positiv verändern kann“. Neben den beschrieben Beobachtungen können auch eine hohe Fluktuation und ein Anstieg der AU-Quote Symptome eines organisationalen Burnout sein.

Ursachen sind nicht zu bewältigende externe Marktanforderungen die in Kombination mit fehlenden internen Ressourcen dauerhaft zu einem extremen Workload oder zu knappen Betreuungsschlüsseln führen. Eng damit verbunden ist dann häufig ein Identitätsstress.

„Das ist nicht mehr mein Unternehmen.“

„Was ist eigentlich unsere Strategie, ich habe keine Idee mehr, worauf ich mich fokussieren soll?“

Diese und ähnliche Aussagen bringen den erlebten Identitätsstress zum Ausdruck. Der eigentliche Sinn von Arbeit geht verloren und das Commitment schwindet.

Schuld sind selbstverständlich die anderen

Fehlt eine systematische Analyse kommt es schnell zu Schuldzuweisungen. Den Mitarbeiter:innen wird fehlende Motivation und eine unangemessene Anspruchshaltung vorgeworfen. Gleichzeitig beschweren sich Mitarbeiter:innen über fehlende Kommunikation, unklare Entscheidungen und mangelnde Rückendeckung durch die Führungsebene. Weshalb ist das Spiel der gegenseitigen Schuldzuweisungen ein gängiges Muster?

Es lohnt ein Blick auf die Funktion der Schuldzuweisungen: Sie lenken ab von den eigentlichen Ursachen und gehen kurzfristig mit Entlastung einher – ohne dass wirksame Veränderungen initiiert werden.

Wenig überraschend also, dass im organisationalen Burnout das Handeln der Führungskräfte meist als kraftlos erlebt wird. Mit der guten Absicht, aus dem Zustand der Lähmung herauszukommen, werden häufig Prozesse kleinteilig überorganisiert und Kontrollmechanismen etabliert. Mit dem schwerwiegenden Nebeneffekt, dass Vertrauen und Partizipation mehr und mehr schwinden. Kommunikation im Sinne eines ehrlichen Zuhörens und miteinander im Gespräch sein findet nicht mehr statt. Vielmehr sind alle getrieben von der enormen Arbeitslast.

Was tun?

Zunächst gilt es, genau hinzusehen und hinzuhören, um zu verstehen, was in Ihrer Organisation läuft. Mit meinem allparteilichen Blick von außen unterstütze ich Sie dabei, den Stressoren auf die Spur zu kommen. In moderierten Workshops im Rahmen der psychischen Gefährdungsbeurteilung schaffe ich einen Rahmen für einen offenen Diskurs. Es geht darum, die Arbeitsbedingungen systematisch zu analysieren und erste Lösungsansätze zu entwickeln. Die Teilnehmenden der Workshops nehme ich dabei als Expertinnen und Experten ihrer Arbeitssituation ernst.

Machbare Herausforderungen vs. hinderliche Stressoren

Mir ist es wichtig, zwischen grundsätzlich machbaren Herausforderungen und hinderlichen Stressoren zu unterscheiden. Die Bewältigung von Herausforderungen geht mit einer Weiterentwicklung von Kompetenzen einher. Stress ist also nicht per se negativ. Wichtig ist allerdings, Einfluss auf die Situation nehmen zu können und Selbstwirksamkeit zu erleben. Kritisch sind jene Stressoren, die sich der eigenen Kontrolle und Einflussnahme entziehen. Diese stellen eher eine Bedrohung für das Wohlbefinden dar. Unklare Rollen und Rollenerwartungen, unklare Entscheidungsspielräume und ungeklärte Konflikte sind Beispiele für hinderliche Stressoren.

Die systematische Analyse trägt auch dazu bei, Ressourcen und erste Lösungsansätze zu identifizieren. Im gemeinsamen Sichten und Bewerten der Analyseergebnisse wird deutlich, was (noch) machbar ist und ab wann die Arbeitsverdichtung zu einem Risikofaktor wird und ein organisationaler Burnout droht.

„Sie schaffen das schon.“

Die Entwicklung von Resilienz ist eine übergeordnete Kompetenz, um in diesen herausfordernden Zeiten bestehen zu können. Dabei ist es wichtig, auf mehreren Ebenen anzusetzen. Individuelle Resilienztrainings greifen zu kurz, insbesondere wenn die Stressoren beispielsweise durch unklare Prozesse oder nicht getroffene Entscheidungen verstärkt werden.

Kritisch ist es auch, wenn strukturelle Probleme auf die individuelle Ebene verschoben werden. „Sie schaffen das schon“ verbunden mit einem Schulterklopfen reicht nicht aus, wenn allen klar ist, dass die erforderlichen Ressourcen zur Bewältigung der Aufgabe nicht gegeben sind. Mitarbeitende erleben keine angemessene Unterstützung und „Quiet Quitting“ oder eine Kündigung können daraus folgen.

Lösungsansätze und Gestaltungsmöglichkeiten

Aufgrund der komplexen Wirkzusammenhänge liegt es auf der Hand, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen geben kann. Vielmehr geht es darum, diese Komplexität auch bei der Entwicklung von Lösungen zu berücksichtigen.

Für die Entwicklung von Interventionen unterscheide ich drei Ebenen:

1. Organisation und Arbeitsbedingungen

Zunächst einmal geht es darum, für eine angemessene Personalstärke zu sorgen. Ein mühsamer Auftrag in Zeiten des Fachkräftemangels. Um so wichtiger ist es, jene nicht aus dem Blick zu verlieren, die bereits da sind und gute Arbeit leisten!
Das Gestalten von guten, gesunden Arbeitsbedingungen ist auch ein Beitrag zur Mitarbeiterbindung.

Gerade bei knappen Personalressourcen lohnt sich eine gemeinsame Reflexion über Leistungserwartungen in der Organisation. Auf Managementebene ist die Dringlichkeit von externen Treibern zu hinterfragen. Es gilt auch, gegenüber externen Anspruchsgruppen realistische Fristen zu verhandeln sowie die Aufträge und Erwartungen gut zu klären.

Aktuell bin ich mit der Moderation eines Prozesses beauftragt, bei dem wir in einem Sozialunternehmen die Leitplanken definieren, wie unter den gegebenen Bedingungen weiter gute Arbeit möglich ist. Im Mittelpunkt steht die Frage des gemeinsamen Ziels und das Wozu der Arbeit. Gegenseitige Erwartungen an die unterschiedlichen Rollen werden geklärt und Werkzeuge für die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung erprobt.

2. Führung und Zusammenarbeit

Flexible Abstimmungsmöglichkeiten und kurze Kommunikationswege sind wichtig, um mitzubekommen, was läuft. Stabile, eingespielte Teams und das Erleben von psychologischer Sicherheit sind ein wertvoller Anker in turbulenten Zeiten.

Mitarbeiter:innen haben eine sensible Wahrnehmung dafür, wie mit Überlastung umgegangen wird. Was können Sie dazu beitragen, dass Fürsorge erlebt wird? Welche Vereinbarungen haben Sie getroffen, um ungesundes Overcommitment nicht zu befördern?

Gesundheitsförderndes Führungshandeln ist eine wertvolle Ressource. Werden Kooperation und soziale Unterstützung erlebt, ist das ein wichtiger Puffer gegen Stress. Anerkennung und Wertschätzung sowie erlebte Fairness und eine gerechte Verteilung von Aufgaben sind weitere Aspekte eines gesundheitsfördernden Führungshandelns.

3. Individuelle Ebene

Auf individueller Ebene gilt es, eine gute Balance zwischen Perfektionismus und Pragmatismus zu finden. „Wann ist es gut genug?“ ist eine nützliche Reflexionsfrage, um Grenzen zu setzen. Eine genaue Klärung eines Auftrags und der Erwartungen an das Arbeitsergebnis kann zusätzlich ein gesundes Gegengewicht zum eigenen Perfektionsanspruch bilden.

Darüber hinaus ist die Klärung der eigenen Rolle, der Zuständigkeiten und Verantwortung hilfreich bei der Fokussierung auf das Wesentliche. In Abstimmung mit den Kolleg:innen können störungsfreie Zeitfenster zur Aufgabenbearbeitung geschaffen werden. Auch das bewusste Gestalten von Kurzpausen und Arbeitsunterbrechungen hilft dabei, die eigene Produktivität und Erholungsfähigkeit zu erhalten.

Impuls

Mit folgenden Fragen möchte ich Sie anregen, eine erste Einschätzung des Status Quo in Ihrer Organisation vorzunehmen:

  • Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie hoch schätzen Sie das Risiko für organisationalen Burnout in Ihrem Betrieb, in Ihrem Unterehmen ein?
    Die 1 steht dabei für „kein Risiko“ während 10 bedeutet, dass es „bereits brennt“.
  • Was sind die größten Stressoren in Ihrer Organisation?
  • Und was gibt Stabilität in diesen herausfordernden Zeiten? Wie gelingt soziale Unterstützung?

Lassen Sie uns gern zu diesen Aspekten ins Gespräch kommen!
Ich unterstütze Sie dabei, vorhandene Ressourcen wieder zugänglich zu machen und Gestaltungsspielräume zu entdecken.

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